Montag, 9. August 2021

Wut im Bauch (IV)

Die folgende Frage, die im Fall "Grundbegriff Bildung" im WueCampus-Kurs "Einführung in die Bildungswissenschaft" eingebaut ist, schaut doch eigentlich aus wie eine ganz normale Frage:

Was ist mit der Epiméleia heautoû, der Sorge um sich, gemeint?

* Die egoistische Selbstliebe des Menschen, die ihn nach Kant radikal böse macht.
* Die Sorge darum, das eigene Leben und die Gegenwart, in der man lebt, aktiv mitzugestalten.
* Eine Praxis der unkritischen Unterwerfung unter gesellschaftliche Normen, um gut in der Gemeinschaft leben zu können.
* Eine Praxis der Emanzipation von der Fremdregierung, hin zu einem größtmöglichen Maß an Selbstregierung.
* Die Auseinandersetzung mit sich selbst, losgelöst von konkreten sozialen und historischen Verhältnissen.


Ist sie aber anscheinend nicht, denn ...

Ein/e NutzerIn hat am 07. August 2021 21:37 einen Kommentar zur Frage 6 im Fall 'Grundbegriff Bildung' in der Fallsammlung 'überarbeitet GdP' abgeschickt:

Verwenden Sie bitte ganze deutsche Sätze. Subjekt, Prädikat, Objekt. MfG Nicht Halbgebildete


Student:in, vermutlich erstes oder zweites Fachsemester, vermutlich Lehramt (also auch Pädagogik), erste Trainingseinheit in dieser Gundvorlesung, sechste Frage - und dann schreibt man so einen Kommentar an die Fallautor:innen, der dann entweder den Dozenten selbst oder seine wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen erreicht ...


"Verwenden Sie bitte ganze deutsche Sätze." und dann "Subjekt, Prädikat, Objekt.": Alleine damit disqualifiziert man seinen Kommentar schon selbst. Dann die Unterschrift "Nicht Halbgebildete": Entweder ist es eine vor Selbstbewusstsein strotzende Anmaßung, sich zum Sprecher einer ganzen Gruppe von Menschen mit gleicher Meinung aufzuschwingen, oder es handelt sich um eine Studentin, die vielleicht nur ein "Eine" vorher vergessen hat. Wie auch immer: Den Fallautor:innen wird direkt mitgeteilt, dass sie Halbgebildete sind - und damit ist das unhöfliche, weil verkürzte MfG auch noch sarkastisch.


Warum schreibt man sowas? Muss man seine - durch zahlreiche Twitter-Shitstorms und Foren-Wars gestählten - Vernichtung-durch-Druko-Fähigkeiten abends nochmal schnell einsetzen, damit man befriedigt ins Bett gehen kann? Oder hatte der/die Schreiber/in einen Scheißtag und musste einfach noch wildfremde Menschen anonym beschimpfen? Oder ist durch die an direktem Kontakt arme Corona-Zeit bei manchen Menschen doch mehr kaputt gegangen?


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